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Erbrecht für vor dem 01.07.1949 geborene nichteheliche Kinder


Das am 01.04.1998 in Kraft getretene Erbrechtsgleichstellungsgesetz stellt nichteheliche Kinder ehelichen Kindern erbrechtlich grundsätzlich in jeder Hinsicht gleich. Eine Ausnahme machte der Gesetzgeber jedoch für vor dem 01.07.1949 geborene nichteheliche Kinder: Sie wurden von dem gesetzlichen Erbrecht und einem seit dem 01.07.1970 geltenden Anspruch auf finanzielle Entschädigung ausgeschlossen.

Diese in den alten Bundesländern geltende Rechtslage weicht nicht unerheblich von der Rechtslage in der früheren DDR ab. Denn dort hatte ein nichteheliches Kind die gleiche Erbberechtigung wie ein eheliches Kind.

Im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde der Versuch unternommen, die­se unterschiedlichen erbrechtlichen Regelungen anzupassen. Der Einigungsvertrag sah vor, dass ein vor dem 03. Oktober 1990 im Gebiet der ehemaligen DDR nichtehelich geborenes Kind gemäß dem BGB der Bundesrepublik Deutschland die gleiche Erbberechtigung wie ein eheliches Kind hat, wenn der Erblasser nach dem 03. Oktober 1990 verstorben ist und zu diesem Zeitpunkt im Gebiet der ehemaligen DDR wohnhaft war.

Dies hatte zur Folge, dass das Erbrecht eines vor dem 01. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes vom Wohnort des Erblassers am 03. Oktober 1990 abhing: Wenn er im Gebiet der ehemaligen DDR wohnhaft war, hatte das nichteheliche Kind die gleiche Erbberechtigung wie ein eheliches Kind; wenn er im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft war, war das nichteheliche Kind von dem gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen.

Diese unterschiedliche Handhabung ist jüngst durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte für rechtswidrig erklärt worden. Der EuGHMR bejahte einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Das Urteil hat zur Konsequenz, dass der in der Bundesrepublik Deutschland bislang geltende Ausschluss der vor dem 01.07.1949 geborenen nichtehelichen Kinder vom gesetzlichen Erbrecht oder die Beschränkung auf Erbersatzansprüche rechtswidrig ist.

Die Auswirkungen dieses Urteils sind enorm. Denn es wird nicht nur zukünftig den vor dem 01.07.1949 nichtehelich geborenen Kindern ein Erbrecht zuzusprechen sein. Auch für bereits abgeschlossene Erbscheinsverfahren ist diese Rechtsprechung von Bedeutung. Denn ein unrichtiger Erbschein muss von den Gerichten von Amts wegen eingezogen werden. Auf die Gerichte kommen also zahllose Abänderungsverfahren zu.

Vor dem 01.07.1949 nichtehelich geborenen Kindern kann nur dringend geraten werden, derartige Altverfahren aufzugreifen.

11/2009

 

 

vom 25.07.16 um 15:37