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Änderung der vertraglichen Arbeitszeit durch jahrelange Mehrarbeit


Wird der als Teilzeitkraft eingestellte Arbeitnehmer mehrere Jahre wegen verstärkten Arbeitsanfalls im Umfang einer Vollzeitkraft eingesetzt, so kann dies zu einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Vollzeitbeschäftigung auch für die Zukunft führen. So entschied das Landesarbeitsgericht Hamm kürzlich (4.5.2006; Az. 8 Sa 2046/05) und revidierte damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld.

Geklagt hatte eine gewerbliche Hilfskraft im Buch- und Zeitschriftengroßvertrieb, die schon seit mehreren Jahren wie eine Vollzeitkraft eingesetzt worden war. Sie wurde auch entsprechend entlohnt, so dass sie eigentlich keinen Grund zur Klage gehabt hätte, wenn der Arbeitgeber sich nicht aufgrund rückläufigen Arbeitsanfalls dazu entschlossen hätte, sie wieder nur in Teilzeit mit der entsprechenden geringeren Vergütung einzusetzen. Er berief sich auf die im Arbeitsvertrag schriftlich fixierte Arbeitszeitvereinbarung.

 

Das LAG Hamm widersprach. Die getroffene Regelung der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag ist nachträglich durch eine stillschweigende Abrede abgeändert worden. Der Arbeitgeber hatte seiner Teilzeitkraft jahrelang so viel Arbeit zugewiesen, dass sie regelmäßig die tariflichen Arbeitszeiten einer Vollzeitkraft erreichte. Die Arbeitnehmerin hatte dem nicht widersprochen und sich auf ihre Arbeitszeit eingestellt. Die schriftliche Arbeitszeitvereinbarung wurde damit von beiden einvernehmlich, ohne dass sie sich dessen bewusst waren, geändert.

Für die Zeiten, in denen die Arbeitnehmerin dann wieder nur in Teilzeit eingesetzt worden war, muss der Arbeitgeber nun die volle Vergütung wie für eine Vollzeitkraft nachzahlen und die Arbeitnehmerin zukünftig auch in Vollzeit beschäftigen.

 

Das LAG Hamm stellte aber in seiner Entscheidung klar, dass grundsätzlich die Leistung von Überstunden nicht automatisch zum Anspruch auf eine Vollzeitbeschäftigung führen. Eine Teilzeitbeschäftigung bleibt als solche bestehen, wenn lediglich besondere Umstände zu einem zusätzlichen Arbeitsanfall und somit zu einer vorübergehenden Überstundenleistung führen.

Die Abgrenzung vorübergehender außerplanmäßiger Überstunden von der stillschweigenden dauerhaften Änderung der Arbeitszeit ist eine Frage der Auslegung von Umständen, Vertrag und Gesetz. Die anwaltliche Überprüfung ist daher unerlässlich.

 

8/2006

 

vom 25.07.16 um 15:19